Freitag, 29. Juli 2011

Wir brauchen ein Boot

22.7.
Gespannt fahren wir los, die Sonne und die nun sichtbaren Berge stimmen uns frohen Mutes. In Alla gibt es tatsächlich Brot, richtig gutes und frisches. Sogar Zopfteilchen gibt es. Und die Letten meinten in Alla gebe es nichts und sicher keinen Laden. Einen solchen hat es aber und mindestens noch einen zweiten.
Eine Zeit danach, werden wir von einem entgegenfahrenden Polizisten angehalten, er ist mit einem Kollegen, der in Zivil ist unterwegs. Zuerst erscheint er uns recht forsch, will unsere Pässe sehen und die Registrierung. Uns scheint er ist auf einen kleinen Zusatzverdienst aus. Ich weiss nicht was der Grund ist, doch plötzlich ist er ganz freundlich und gibt uns unsere Pässe zurück. Auf unsere Frage ob sie wissen wie hoch der Fluss bei der Querung momentan sei, meinen sie ob wir ein Boot haben, haben wir natürlich nicht (noch nicht).
 Der immer blauer werdende Himmel stimmt uns positiv, die immer noch nasse Strasse und die übervollen Bäche weniger, wir sind extrem gespannt wie die Fuhrt des Barguzin wohl aussehen wird. Fast ein wenig zu sehr um die schöne frisch, gewaschene Landschaft davor richtig zu geniessen. Kurz vor dem Abzweig, wo der Hauptweg nach Ulyunkhan geht, kommt uns ein vollbesetzter Minibus entgegen. Er hält, einer der Insassen ist Österreicher, ein Ethnologe mit Spezialgebiet Burjatien. Er war in Ulyunkhan an einem Fest. Hier im Barguzintal scheint gemäss ihm noch etwas vom Ursprünglichen der burjatischen Kultur erhalten geblieben zu sein, sonst ist scheinbar vieles in der Moderne verloren gegangen. Immerhin sind die Russen hier schon seit dem 17.Jahrhundert vertreten. Das sieht man auch an den Plakaten, welche an vielen Stellen hängen, auf denen ein Jubiläumsjahr gefeiert wird und zwei Männchen in traditioneller alter Kleidung abgebildet sind, ein Burjate und ein Russe. Man ist hier wohl um den Zusammenhalt Russlands besorgt. Aber so weit ist das Barguzintal nicht von der Grossstadt Ulan Ude entfernt, nur sieben Stunden mit dem Minibus. Das stimmt mich zusätzlich positiv, somit gibt es einen Ausweg, wenn wir nicht weiter kommen, wenn die Flüsse zu hoch wären. Der Weg nach Umchei ist schmaler aber in gutem Zustand. Im Gegensatz zu uns geniessen die Schmetterlinge die feuchte Strasse, sie sitzen zu Hunderten auf ihr, und flattern auf, wenn wir mit dem Velo vorbeifahren. Dazu gibt’s satt grüne Wiesen und rauschende kleine Bäche sowie hie und da mal eine Kuhherde.

Was will wohl das Wetter?
Sieht nach Sonne aus
Sogar die Berge schauen teilweise hervor
Der Barguzin - da sollen wir weiter oben drüber?
Sattes Grün kurz vor der hintersten Ortschaft
Die Bäche sind aber immer noch sehr voll
Aber schön anzusehen
Jedem sein Haus - den Pferden...
Und den ... Kühen
 Dann wird’s waldiger, nach jeder kleinen Kurve hab ich das Gefühl jetzt dann gleich die Fuhrt zu sehen, und dann ist sie da, breit und schnell fliesst der Fluss, auch mit viel Wasser hätte ich es mir ruhiger vorgestellt. Hier treffen wir auch die drei dunkelblauen Jeeps wieder, die uns vor 2 Tagen überholt hatten und an deren Aufklebern wir sehen konnten, dass sie die gleiche Strecke vorhaben, wie wir. Sie sind gerade am Queren auf eine Kiesbank. Ihr Feuer auf unserer Seite raucht noch sehr stark. Die Querung scheint für sie ein grosses Highlight zu sein, alles wird filmisch festgehalten. De Jeeps sind vollbeladen und -besetzt so versuchen wir gar nicht erst mit ihnen Kontakt aufzunehmen um nach einer Übersetzgelegenheit zu fragen, der LKW der die Letten abholen soll ist leider nicht zu sehen. Am anderen Ufer sind zwei Männer am Fischen und beobachten ebenfalls die Jeeps. Der erste Jeep hat es geschafft und steht nun auf der Kiesbank die etwa in der Flussmitte ist, ihm entsteigen neben den Männern zwei knapp bekleidete Damen. Die Zeit die die Männer brauchen um die anderen zwei Fahrzeuge hin zu lotsen, verbringen sie mit Kämmen und in Schale werfen.

Und da sollen wir furten?!
Die Jeeps haben es auf die Kiesbank geschafft
Doch bei der Querung des zweiten Armes sind sie auch am Limit
Wir beschliessen gar nicht erst hier die Querung zu versuchen sondern paar hundert Meter weiter hoch zu fahren zur Insel wo Umchei ein Thermalbad liegt, denn die Letten meinten dort sei es mit Rad sicher einfacher zu queren, da ein Teil des Flusses mit einer Brücke überquert wird. Am Damm an der eigentlichen Furt erkennt man, dass es auch einmal hier eine Brücke gab, doch von der Brücke ist fast nichts mehr übrig. Wir radeln die 1-2 km nach Umchei und tragen über die erste Brücke und fahren dann zum Thermalbad. Der Thermalort besteht aus einzelnen kleinen Bungalos, die zwar nicht extrem luxuriös aber gepflegt und sauber aussehen. Wir fragen im Thermalbad nach, wo es denn am günstigsten zum queren wäre, aber unsere Befürchtungen  angesichts der steilen Wände am Gegenufer bestätigen sich, die Bewohner meinen, hier wäre es nicht möglich zu queren. Dieser zweite Teil ist zur Zeit zu tief und reissend. Wir fahren somit wieder zurück zur Stelle wo die Jeeps am Queren sind. Der erste fährt gerade los um den tieferen und reissenderen Arm zu durchfahren, das Wasser kommt hoch, und der Jeep muss ziemlich mit der Strömung mit schwimmen um dann erst nach einiger Zeit im seichteren herumzulenken. Die Jeeps sind wohl am absoluten Limit. Da wir aber nie neben ihnen standen ist schwierig zu sagen wie hoch es wirklich ist. So beschliessen wir, es doch  hier auch zu versuchen, auch wenn wir nicht wirklich glauben, dass wir den zweiten Arm schaffen. Auf die erste Kiesbank geht es noch einfach dann wird’s tiefer und reissender als gedacht um auf die grössere Insel zu kommen, doch dank Schuhe anbehalten schaffen wir es. Der tiefe Arm zeigt sich aber vollends als hoffnungslos, auch der letzte Jeepfahrer der noch am anderen Ufer steht, gibt uns Zeichen, dass wir es garnicht erst versuchen sollen, das Wasser würde uns bis an die Brust gehen. Da das Wasser merklich am sinken ist, beschliessen wir vorerst auf der Kiesbank zu warten und beschäftigen uns mit Waschen. Nach einiger Zeit erscheint einer der Fischer wieder am anderen Ufer, und gibt uns durch das Getöse des Flusses hindurch zu verstehen, dass wir weiterhoch kommen sollen, zur ruhigeren tiefen Stelle, er habe dort ein Boot. So war es doch gut, in die Mitte des Flusses gekommen zu sein, denn sonst war eine Verständigung gar nicht möglich.
Und tatsächlich, als wir an der Beschriebenen Stelle ankommen, die wir schon vorher einmal betrachtet hatten, sind da wieder die zwei Fischer mit einem kleinen Schlauchboot. Es sind die Parkwächter. Mit mehreren Querungen werden wir und unser Gepäck mit den Rädern rübergebracht, jeweils ein Rad mit einem Passagier und dann noch das Gepäck. Auch hier wo der Fluss relativ ruhig erscheint, muss ziemlich gepaddelt werden um noch im ruhigen Teil das andere Ufer zu erreichen und nicht in den Schnellen zu landen. Nach einem kurzen Fussmarsch, dem Strand entlang und über einen Pfad erreichen wir das Haus der Parkwächter, hier wird das Offizielle erledigt, wir bezahlen die Gebühren (ein kleiner Betrag für den Park und auch ein Obolus für die Fährfahrt) und tragen uns ins Parkbuch ein, dazu gibt’s Tee und feines Brot. Die Nachlässigkeit der Russischen Jeepfahrern ist auch den Wächtern aufgefallen, denn sie meinen beim verlesen der Parkordnung, wir sollen dann jeweils die Feuer von unseren Vorfahrern löschen, denn diese scheinen dies ja kaum zu tun. Das kleine Haus ist einfach eingerichtet, hat aber einen Ofen für die kältere Jahreszeit, und einen Fernseher für den Zeitvertreib. Die Parkwächter bleiben immer etwa eine Woche am Stück, dann wird wieder gewechselt. Unser Parkwächter kommt aus dem Ort Maiysky.
Sogar Wasser bekommen wir von den Parkwächtern. Ich finde es beruhigend zu wissen, dass auch meist jemand auf dieser Seite des Flusses ist.
Brücke zu den Termalquellen
Unser Ruderer
 Es ist unterdessen zwar schon fortgeschrittener Nachmittag, wir beschliessen aber dennoch aufzubrechen, da niemand weiss wie lange der schöne blaue Himmel hält.
Die Strasse führt im guten Zustand den Hang hoch. Bald kommt uns ein grosser wohl alter Militärlaster entgegen, auf seiner Ladefläche ist der zweite Kleinlaster der Letten. Die Bergung hat wohl doch länger gedauert als gedacht, denn ihre Kollegen meinten, sie sollten ihnen noch am selben Abend folgen. Der Teil der Gruppe, die nun mit dem Lastwagen rausgebracht wird, scheint nun wirklich einfach nur noch raus zu wollen, denn sie zeigen kein Interesse auch nur an einer kurzen Konversation.
Weiter geht es hoch, der Schweiss läuft, obwohl schon Abend, der Blick über das Barguzintal ist wunderschön. Nachtessen gibt’s am Strassenrand, der übliche Ort auf dieser Strecke zum Kochen, wie wir später erfahren und auch die vielen Überreste der kleinen Feuer bezeugen. Auf der Passhöhe steht ein kleiner Altar und eine Infotafel zum Park. Danach geht’s mehr oder wenig immer gleichmässig runter, bis wieder ein Fluss, der Kovyli erreicht wird. Das Land, dass auf unserer Karte noch als Wiese eingezeichnet ist, ist unterdessen total verbuscht und somit nicht zum Zelten geeignet, die ehemaligen Weiden scheinen hier nicht mehr genutzt zu werden. So fahren wir weiter, bis runter zum Fluss und kurz diesen hoch. Die Abenddämmerung ist schon am einsetzten als wir am Ufer einen schönen weichen Sandplatz finden für unser Zelt. Schnell wird herumliegendes Schwemmholz gesammelt und ein Feuer entfacht, das nützt gut gegen die Mücken und auch Bären meiden den Feuergeruch, sagt man.
Gespannt auf den nächsten Tag mit der geplanten nächsten Barguzinquerung schlafen wir ein.

Huckepack, er hats leider nicht geschafft
Weite bewaldete Hügellandschaft
Blick zurück ins Tal
Hier wurde vor wenigen Jahren noch Weidewirtschaft betrieben
Immer mal wieder hat es moorige Stellen
Gegen die Mücken gut, das Feuer
23.7.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen hängen die Wolken tief im Tal und es tropft vom Himmel. Nach dem gestrigen Schönwettertag hatten wir wirklich nicht schon wieder Regen erwartet. Nach einiger Zeit raffen wir uns dann dennoch auf, und gehen zu unseren Essenstaschen die in einiger Entfernung im Wald auf einer Tanne hängen Frühstücken.
Leider will das Geniesel nicht aufhören, immerhin scheinen nun die Wolken nicht mehr ganz so tief im Tal zu hängen, somit überwinden wir uns und fahren los. Der Regen wird immer mal wieder stärker und wir versuchen unterzustehen, doch die eher kleinen Lerchen bieten nur wenig Schutz auch wenn sie nahe beieinander stehen, da ist die kleine Jägerhütte die schön in einer saftigen Wiese mit Bächlein steht schon eher geeignet. Ein kleiner einfacher Ofen würde auch heizen erlauben.
Hier in der Nähe gibt es noch eine der einzigen noch bewirtschafteten Farmen in der Gegend. Das Farmhaus sieht aber verlassen aus. Kurz darauf zeugt eine grosse Pferdeherde davon, dass noch Viehwirtschaft betrieben wird. Der Regen wird schwächer, aber die Wolken hängen weiterhin tief, so ist unser Blick auf die Nähe beschränkt.  Die Strecke zieht sich noch und wir haben einige mittlere Bäche zu queren. Am grössten ist die Furt des Kovyli, an der wir dann auch Mittag essen. Leider ist dort kein kleiner Pavillon wie an einer vorhergehenden Furt. Die Mücken sind heute wieder lästig, so dass wir mit Mückenhaube radeln. Obwohl der Regen eher nachlässt ist die Strasse hoch zum Pass der wieder ins Barguzintal führt klebrig aber zum Glück meist nicht allzu steil, so dass nur ein paar wenige steile Zwischenstücke geschoben werden müssen. Die Piste hier ist wohl noch vor kurzem einmal zum Teil geschoben worden. Zwar sind die Furten zum Grossteil zu durchfahren, bei kleineren Bächen sind aber oft intakte Brücken oder es sind neue Holzbrücken neben völlig morschen alten Brücken.

Auch die kleineren Bäche haben relativ viel Wasser
Die Strasse ist vorerst meist gut fahrbar
Mehr Mühe bereitet uns dann die Runterfahrt, die Strasse ist leicht gewellt und von vielen grossen Pfützen durchsetzt, wir ahnen zwar noch nicht wie tief die wirklich sind, da das Wasser eine braune Sauce ist, schieben aber dennoch zum Teil mühsam am Rand durch. Somit ist immer wieder Absteigen, Schieben, Aufsteigen, kurzes Stück fahren und wieder Absteigen angesagt, immerhin hat das Nass von oben fast komplett nachgelassen. Wir kommen nur langsam vorwärts, und da wir da Regen am Morgen spät los waren ist schon Abend als wir ins Barguzintal runterkommen. Wir sind gespannt wie der Fluss hier weiter oben aussehen wird, doch zuerst müssen wir durch einen Bach waten, der uns auch eher höher als Normalstand dünkt. Und dann sind wir wieder am Barguzin, wie das letzte Mal, raucht noch das Feuer entfacht von den Insassen der drei blauen Jeeps. Ein wenig feuchtes Holz nachgelegt und schon brennt es wieder, riesige Büchsen sind drinnen, die zusätzlich die Wärme gespeichert hatten, die Mann- und Frauschaft war wohl hungrig. Die Jeeps müssen somit erst vor kurzem gequert haben, Stäbe am Ufer zeugen davon, dass sie den Wasserstand beobachtet haben. Christian steht nur am Rand und geht kurz in den Fluss, er ist reissend, und kommt ihm schon jetzt ziemlich hoch. Da wir müde sind und die Sonne fast durch die Wolkendrückt, und somit gewisse Hoffnung auf besseres Wetter besteht, beschliessen wir heute Abend nichts mehr zu riskieren und schlagen unser Zelt auf einer erhöhten Sandbank am Fluss auf. 

Immer wieder müssen riesige Pfützen umgangen werden

Bald wieder am Barguzin
Der Bach wenige Meter vor der Barguzin Furt
Die Barguzinfuhrt bei unser Ankunft, Wasserstand ist schon eher hoch
Doch die Wettergötter scheinen es nicht gut mit uns zu meinen, kaum ist es dunkel setzt wieder Regen ein. Etwas vor zwölf hören wir Motorenlärm, doch die Scheinwerfer scheinen auf der anderen Flussseite weiter ins Tal zu fahren. Der Fluss ist schon kräftig gestiegen, doch Christian schafft es nochmals mich zu überzeugen, dass das Wasser sicher nicht bis zu uns kommen wird. 

24.7.
Wir schlafen nur kurz, dann wieder Motorenlärm, es ist kurz nach zwölf, diesmal tauchen tatsächlich zwei Lastwagen auf der anderen Seite auf. Einer von ihnen fährt direkt zum Fluss. Doch sie scheinen ihm nicht ganz zu trauen, der Laster wird zwar noch seitwärts ins Wasser am Ufer gestellt, es scheint um die Strömung zu testen. Sie wagen nicht zu queren. Somit wird sicher nichts mit einer unerwarteten Lastwagenbrücke in Mitten der Nacht für uns.
Der Fluss ist weiter gestiegen, und nun lässt sich auch Christian von mir überreden, dass wir das Zelt weiter hoch stellen, auch wenn er nachwievor überzeugt ist, dass so hoch der Fluss sicher nicht steigen wird. Wir hatten uns aber schon einige Fixpunkte gemerkt, die aber zum Teil schon überspült sind. Das Bild am nächsten Morgen lernt uns ein besseres, dort wo vormals unser Zelt stand ist nun Wasser, da hinter dem Damm gelegen, zwar nicht reissend und somit wären wohl bei gutem Schlaf einfach die Sachen nass geworden, Staunen tun wir trotzdem, denn unser Zelt steht auch nun nicht mehr weit vom Wasser weg. Der Damm ist ein Überbleibsel von einer Brücke, die wohl auch hier schon einmal über den Fluss ging. 
Es regnet noch etwa bis zehn Uhr, dann beginnt der Himmel aufzureissen. Es ist wunderschön hier am Fluss mit Sonne, doch nun ist er definitiv zu hoch zum queren, auch die Lastwagen versuchen es gar nicht erst. Sondern sie entfachen ein Feuer und scheinen sich auf Warten einzurichten. Die zwei Lastwagen sind erstaunlich gut besetzt, so warten uns gegenüber sicherlich 10 Männer. Die Verständigungsversuche scheitern am Rauschen des Flusses.
Unser Zelt stand leicht hinter den Grasbüschel im Wasser Richtung Fluss

Die andere Seite

Auch auf dem erhöhten Platz ist das Zelt nur knapp im Trocknen
Uns bleibt nichts als warten und hoffen auf baldiges Sinken des Wasserstandes. Auch der Bach ganz in der Nähe ist mächtig angestiegen, ein Queren aber noch knapp möglich. Einige der Männer auf der anderen Uferseite fischen, die anderen Sitzen auf dem Damm an der Sonne, wir lesen. Das Wasser war noch kurz am Steigen nach dem die Sonne kam, doch gegen unten geht es langsamer als erwartet. Wir vermuten und hoffen, dass im Verlauf des Tages auch von unserer Seite Verkehr kommt, um sicher eine Mitfahrgelegenheit über den Fluss zu haben, beim ins Talreinfahren zur ersten grossen Barguzinfurt hatten uns noch zwei weisse, modernaussehende Jeeps überholt, die wir auch für Touristen hielten, die womöglich die Querung zur BAM Linie machen. Doch es bleibt ruhig.
Auch gegen Abend können die LKW noch nicht ans Queren denken und wir somit ganz und gar nicht. Kurz fährt der eine LKW weg, wohl um Holz zu schlagen im nahen Wald. Auch sie richten sich ein für die zweite Nacht. Wie wird wohl das Wetter bleiben. Die erste Nacht am gleichen Ort in diesem Urlaub. Meine Seele wandert für einmal in den Träumen nicht weiter, alles dreht sich nur um das Flussqueren, am Schluss teilt er sich, dass wir trockenen Fusses rüberkommen.

Die Landschaft und nun auch das Wetter sind wunderschön

Abendstimmung - was bedeuten wohl die leichten Wolken?
 
25.7.
Der Rückgang in der Nacht war nicht so stark wie erhofft, der Himmel leicht bewölkt, aber zum Glück setzt sich die Sonne durch, ob es weiter hinten im Einzugsgebiet auch so ist? Gegenüber wird mehrheitlich ausgeschlafen, und es ist noch nicht viel los, spätes Frühstück. Doch gegen Mittag kommt plötzlich Bewegung rein, die Motoren werden aufgewärmt.  Wir packen schnell unsere Sachen zusammen und spekulieren darauf, dass sie uns eventuell mit rüber nehmen können, wir überlegen uns noch was unsere finanzielle Schmerzgrenze wäre. Dann fährt der erste LKW vorsichtig ins Wasser. Dieses scheint immer noch höher zu sein, als auf den Bildern die wir von der Stelle im Voraus sahen. Wie hoch es wirklich ist, merken wir erst als wir neben den Rädern der LKW stehen. Endlich ist Kommunikation möglich, für die Fahrer ist die Strecke keine unbekannte, sie passieren sie oft das Jahr hindurch. Somit brauchen sie gar nicht zu überlegen, als wir sie fragen, ob sie uns gegen Bezahlung rüberfahren. Nein, es geht nicht, da gegen die Strömung würde die Motorhaube und Kabine überspült. Wir sollen aber ruhig hier bleiben, sie kämen, wenn es die Flüsse erlauben übermorgen früh zurück, dann könnten wir mit ihnen mitfahren bis nach Novoj Uojan. Mir würde es somit, wenn die Flüssen es wollen so gerade auf meinen Zug zurück nach Novosibirsk reichen. Den Nachmittag verbringen wir mit Gegend erkunden und lesen. In etwa einem Kilometerdistanz gibt es eine Kontainerunterkunft, die wohl bei andauerndem Regen eine gute Unterkunft bietet, mit Ofen auch beheizbar. Der Fluss geht zurück, aber weiterhin nur langsam. Auch die Erkundungen am Flussufer entlang führen zu keinen brauchbaren Furten. Weiter oberhalb sieht es zwar machbarer aus, aber der Fluss ist doch zu stark strömend und zu tief, zumal mit dem Fahrrad, welches man ja irgendwie neben sich herschleppen muss.

Die Furt wird angegangen











Die Gegenseite hat es mit der Strömung geschafft
Unweit der Furt auf unserer Seite steht eine Barackenhütte als Schutzunterkunft
Das Wasser ist schon zurück gegangen, für uns aber längstens noch nicht genug
Blick den Barguzin hoch
 26.7.
Die Nacht verläuft ruhig, der Morgen begrüsst uns wieder im Strahlenden blau, doch wieder ist der Fluss nicht wirklich stark zurück gegangen. Zwar schaut die Feuerstelle der Jeepfahrer wieder aus dem Wasser heraus, aber sie wird immer noch leicht umspült. Wir wissen nicht recht was wir sollen, wirklich ruhig hier warten bis die anderen zwei LKWs wiederkommen? Aber können sie wirklich wiederkommen, denn sie wussten als sie gefahren sind nicht einmal ob sie unten Queren können. Kommen sie einen Tag zu spät verpasse ich meinen Zug und ziemlich sicher auch mein Flug, ausser ich käme schnell mit Bussen und LKWs weiter. Um Umzukehren und sonst Novosibirsk zu erreichen, damit mein Flug nicht ohne mich geht, müssten wir auch heute los. Wir sind hin und her gerissen, da wir genug vom Warten haben, beschliessen wir den LKWs entgegen und somit zurück zu fahren. Mit Sonne ist die Gegend noch viel schöner, und auch wenn es immer noch Pfützen hat, kommen wir bergauf schneller voran als wir bergab kamen. Über den Pass und dann in schneller Fahrt das Tal runter. Es ist schön wieder Fahrrad zu fahren.

Eine der neueren  Brücken
Der Weg ist einigermassen trocken wesentlich besser zum Fahren
 Hey, was steht denn da an der Bachquerung? Ein imposanter LKW, sieht aus wie ein Überlebensmobil, ist aber ein alter Militär LKW und mit seinem Besitzer Albert, seinem Sohn und dessen Kollegen unterwegs nach Taximo. Sie waren gerade am Rasten, wie selbstverständlich werden wir zum Tee und Picknick eingeladen, ja, wir können mit ihnen mitfahren. Schon morgen werden sie voraussichtlich in Ulan Ude sein. Gemeinsam werden die Räder und unser Gepäck aufs Dach gehoben, dort nehmen auch die zwei Jungen Männer Platz, wir dürfen vorne.
Unsere Mitfahrgelegenheit

 
Der Geländelaster, ein Kamaz ist wirklich ein beeindruckendes Gefährt, die Räder alleine sind schon fast mannshoch. Zum dritten Mal fahren wir nun einen guten Teil der Strasse bis zur Furt, doch die perspektive aus dem LKW ist anders, denn wer hätte gedacht, dass die grossen Pfützen eigentlich vielmehr Wasserlöcher sind von über 1.50 m Tiefe. Problemlos erreichen wir wieder die Barguzin-Furt. Albert beobachtet kurz den Flusslauf und fährt dann rein. Das Wasser ist immer noch tief und man kommt sich beim aus dem Fensterschauen mehr vor wie in einem Boot als einem Lastwagen. Danach gibt’s einen kurzen Abstecher leicht weiter unten am Fluss zum Fischen, die Stelle soll besonders gut sein. Dies hatten uns auch schon unsere Gegenseite beim Warten erzählt (sofern wir ihre Zeichen richtig deuteten). Doch heute will es nicht mit dem Fisch, nur ein kleiner beisst an und wird gleich wieder zurück geworfen.
Der Weg steigt nun an und geht weg vom Fluss. Oben angelangt gibt es eine gewaltige Aussicht aufs Flusstal. Wir halten an und steigen auf einen Felsen um die unglaubliche Aussicht auf den sich schlängelnde Fluss und die weiten Wälder anzuschauen. Weiter geht’s durch den Wald, oft stehen die Bäume so eng an der Strasse, dass ab und an der Sohn von Albert aussteigt, und den einten oder anderen mit der Axt entfernt.

 









Zum Abendessen gibt es Pause an einem Bach, hier steht eine der mächtigen Brücken die nie richtig platziert wurden. Schnell wird feuer gemacht und Teewasser im Topf aufgesetzt. Dazu gibt es wieder vom feinen Fleisch aus dem grossen Topf und feines Brot, wir können leider nur Kekse dazu beitragen.
Albert kennt die Strecke wirklich gut, so fährt er schon seit Jahren viele Male hin und her nach Taximo um Benzin zu holen. Dieses ist dort, so erzählt er, günstiger als im Barguzin Tal und so lässt sich damit ein Arbitragegeschäft machen auch wenn sicher für den Kamaz einiges an Benzin draufgeht.
Es ist schon am eindunkeln, als wir nahe der Strasse im Wald einen anderen Lastwagen und  daneben Zelte sehen. Albert geht kurz Hallo sagen. Es ist ein jüngerer Fahrer aus der Ortschaft wo der Track endet, welcher mit Studenten unterwegs ist. Nun wird die Strasse wieder schwieriger, immer mal wieder gibt es Abschnitte mit grossen Steinen oder Löchern. Ab und an muss angehalten werden, um auf die Schnelle die „Strasse“ mit gefällten kleinen Bäumen oder anderen grossen Steinen auszubessern. Trotz nun vollkommener Dunkelheit geht unsere Fahrt weiter. Mal ein Fuchs der durchhuscht und sonst einfach nur Einsamkeit. Erst spät am Abend wird für die Nacht in Mitten der Strasse gehalten. Wir schlagen unser Zelt auf, die anderen schlafen im und auf dem Lastwagen.









 27.7.
Der nächste Tag ist leider wieder wolkenverhangen und es tröpfelt, wir beschliessen nach längerem hin und her überlegen und rechnen uns wieder fahrradfahrend fort zu bewegen, denn durch den langen Nachmittag mit Albert haben wir kräftig Zeit gewonnen so dass es uns gut auf meinen Zug nach Nuova Uian reichen sollte. Geld will Albert von uns keines aber immerhin nimmt er eines unserer Sackmesser dankend an. Uns hat er ein einmaliges Erlebnis ermöglicht, und dies mit einer unglaublichen Selbstversändlichkeit, hat man doch nicht oft die Möglichkeit mit einem so eindrücklichen Fahrzeug eine so schöne Strecke mitzufahren.
Dennoch geniessen wir es doch noch einen weiteren Teil dieser schönen Strecke auf dem Rad zu entdecken. Wir sind noch nicht allzu lange unterwegs als von hinten der Lastwagen mit den Tomsker Studenten kommt die auf dem Rückweg sind. Extrem viel schneller als wir sind sie nicht, denn als sie Pause machen treffen wir sie nochmals. Der Regen hält sich zum Glück einigermassen zurück es Nieselt nur ab und an leicht. Nur die Mücken finden es leider heute besonders schönes Flugwetter Dina wird ganz genervt bis sie sich endlich wieder das Netz über den Kopf stülpt. Grosse Stücke sind hier gut fahrbar, ab und an mal eine Pfütze zu umstossen. 









Aber der härteste Teil liegt nach unseren Erkundungen noch vor uns, die Strecke wo die Strasse für nicht ganz 2 km immer wieder im Bachbett mit grossen Steinen verläuft. Nach den Erzählungen der Letten hatten sie dort ewigs gebraucht. Für uns stellt es sich als weniger anstrengend heraus als gedacht. Die Schuhe behalten wir wieder mal gleich an und ein Teil des Gepäcks ist im Rucksack am Rücken und Vorderradtaschen haben wir gar keine mitgenommen. Zudem haben wir natürlich noch den Vorteil, dass es bergab geht. Wenn man von den kalten und nassen Füssen absieht eigentlich ein noch ganz netter Bachspaziergang. Mit mehr Gepäck und bergauf ist es aber sicher anstrengender.
Nach dem Bachteilstück wird die Strasse schnell besser und es geht generell runter und somit zügig voran. Am See kurz vor dem Abzweig nach Kumora suchen wir ein Schlafplatz, einige Stellen sind sumpfig, nach kurzer Weiterfahrt finden wir dann doch noch einen schönen Platz am See. Leider sind die Berge immer noch Wolkenverhangen, es ist auch so eine schöne Stimmung aber der Blick mit Berggipfel muss noch gewaltiger sein. Der See ist hier sehr flach und wohl darum auch warm.





 

28.7.
Unser letzter gemeinsamer Velotag ist angebrochen auf guter Strasse geht es nach Novyj Uojan. Grösstenteils geht es durch Wald, immer wieder gibt es schöne Blicke auf die nahen Berge, dann bringen wieder kleinere Sanddünen oder Flüsse und Moore Abwechslung ins Bild.  



 






 Novyj Uojan ist aufgeteilt in einen Hüttenteil und einen modernen Teil getrennt durch ein Industriegebiet, in welchem Rost einen guten Platz einnimmt. Der moderne Teil ist nicht sehr gross, mehrere Mehrfamilienhäuser einen Marktplatz, das grosse Bahnhofsgebäude und ein Hotel sind schon fast alles. Seine Blütenzeit seit dem Bau der BAM (Baikal-Amur-Magistrale, Zuglinie) ist vorbei und die Einwohnerzahl am sinken. Dass es mal mehr waren zeigte sich schon alleine daran, dass mehrere Personen die wir kennenlernten uns erzählten, dass sie dort geboren seien.
Das Hotel ist Zweckmässig, es gibt Gemeinschaftsbad und Küche, alles schön sauber und sogar Wäschewaschen mit einer Maschine können wir. Das Zimmer ist schon fast liebevoll eingerichtet mit Zimmerpflanzen und Bildern aus der Region. Im selben Gebäude gibt es auch einen Supermarkt.  Da wir schon früh da sind können wir am Nachmittag gemütlich Essen gehen, am Bahnhof vorbei schauen und unsere Sachen ordnen. Von hier trennen sich Christians und meine Wege. Christian fährt weiter der BAM entlang und ich in zwei Zugstagen zurück nach Novosibirsk um von dort heimzufliegen.





 29.7.
Viel zu früh sind wir am nächsten Tag am Bahnhof und verpacken mein Rad. Diesmal haben wir kein Gepäckticket gelöst, da die Dame am Schalter meinte unter 30 kg sei dies nicht notwendig. Gefahren wird wieder dritte Klasse. Beim einsteigen fragt der Zugbegleiter kurz danach, als wir sagen es sei unter 30 kg ist es in Ordnung. Damit man keine Diskussionen hat, ist es aber sicher nicht schlecht ein Gepäckticket zu kaufen zumal sie nicht teuer sind. Schnell ist mein Gepäck verstaut und es heisst Abschied nehmen.