Sonntag, 12. August 2012

Mühsame Pisten hinter Nishny Bestiach

In der Früh wird gepackt und losgefahren. Erst muss ich noch zum Baumarkt, den Stepan empfohlen hat. Der ist nicht weit weg vom grossen Jägerladen, also muss ich einmal quer durch die Stadt. Um kurz vor 10 bin ich da, jedoch hat keiner der Läden im Baumarkt meine gesuchten Lager. Zum Glück ist mir auf dem Weg noch ein grosses, hübsch aufgemachtes Autoteilegeschäft aufgefallen, die Car-men. Dort in einem der Verkaufsgebäude werde ich fündig. Die Preise sind zwar gesalzen (350 Rubel) aber mit diesen Patschibniks sollte meine Seelenruhe wieder hergestellt sein. Nun kann es voller Euphorie zur Fähre gehen. Auch wenn ich den Wegpunkt für den Abfahrtsort habe, sehe ich auf der aus dem Internet geladenen OSM-Karte noch einen alternativen Fährhafen. Im blinden Vertrauen auf das GPS folge ich einer einsamen Sandpiste, bis ich zum Ufer gelange, an dem einige älter verrostete Fähren herumstehen, kein Mensch ist da. Das scheint wohl eine Fehlinformation gewesen zu sein. Gleich nebenan frage ich bei einem Haus eine Frau, wo denn hier die Fähre sei. Die hat keinen blassen Dunst, insofern ist hier tatsächlich Fehlanzeige. Genervt trete ich ordentlich in die Pedalen um auf gleichem Weg zurückzufahren. Als ich am richtigen Anlagepunkt bin, fährt mir vor der Nase gerade die nächste Fähre weg. Daher kann ich als erster auf die nächste Fähre fahren. Diese warten immer so lange, bis sie voll sind. Damit bleibt mir Zeit zum Mittag essen und schreiben. Da den anderen wartenden Fährpassagieren wohl auch langweilig ist, gibt es so manche Unterhaltung. Eine der Frauen an Bord wird dabei etwas aufdringlich, ihre Annäherungsversuche kann ich aber abwehren, was sie mir sichtlich übel nimmt. Die Fähre braucht recht lange nach Nishny Bestiach, kleine Tragflügelboote, für jeweils 5-6 Personen, sind da deutlich schneller. Es ist erstaunlich viel Verkehr auf der Lena.
Die falsche Anlegestelle
Gepäck wird verstaut
Wir haben abgelegt
Passagiere
Hafenanlagen von Jakutsk
Manche warten im Fahrzeug
Tragflügelboot in Miniausführung
Die Anlegestelle kann dem Wasserstand der Lena schnell angepasst werden
Um 13 Uhr sind wir schliesslich da. Im Ort wird noch ein Cafe besucht und letzte Erledigungen gemacht. Dann geht es los, die Strecke ist übel sandig, nun weiss ich was Pesok bedeutet, die Radler in Jakutsk hatten davon geredet und mir Stollenreifen empfohlen. Auf der Fähre hatte man mir ebenfalls prophezeit, dass es bis Tschuraptscha schlimm werden würde. Ich komme kaum vorwärts, die Kette liegt auf dem mittleren Kettenblatt und hinten auf dem zweiten Gang. Manchmal ist grober Kies auf dem Sand, aber der fährt sich genauso wie Sand ohne Kies. Als ich befürchte, dass die ganze Tour mühsamer wird als gedacht, ändert sich zum Glück der Belag etwas. Es ist nun lehmiger, aber der tiefe Sand kommt abschnittsweise wieder. Die beste Strategie hier ist oft ganz am Rand zu fahren, dort ist die Oberfläche noch frisch geschoben vom Grader. Es ist dabei wichtig, dass noch kein anderes Fahrzeug drüber gefahren ist, sonst wird es wieder zu weich. Teils sehe ich hier Spuren von anderen Radfahrern. Insgesamt hat es recht viel Verkehr, klar wir sind ja auch noch nahe an Jakutsk und Nishny Bestiach. Die Landschaft ist zwar flach, aber dennoch abwechslungsreich, sogar Getreidefelder finden sich hier im Norden sowie Wiesen und viele kleine Seen. Letztere sind hier wohl eine Erscheinung des Permafrostes. Das einzige was hier fehlt sind Dörfer. Erst nach gut 50 Kilometern kommt das erste Grossdorf, bzw. es sind zwei nebeneinanderliegende Orte. Immerhin bringen sie kurz Asphalt auf die Fahrbahn, wohl damit die Ortschaften nicht im Staub verhüllt sind. Nach dem Ort kommen noch zwei Cafes. Ein vorgezogenes Abendessen wird eingenommen. Vor dem Cafe spielt sich leider ein Drama um einen Vogel ab, und keiner merkt es. Ein kleiner Vogel liegt im Staub und kann sich nicht mehr aufrichten, er hat sich wohl etwas gebrochen. Leider liegt er genau im Rangierbereich der Autos. Ich versuche ihn wieder auf die Beine zu bekommen, doch es ist wohl hoffnungslos und so überlasse ich ihm seinem Schicksal.
Heutransport auf sandiger Strecke
Hat eventuell mit einer Leitung zu tun
Ortsschild
Einsames Pferd am ...
Es geht durch Weideland
Grossdorf
das erste seit Nishny Bestiach
Als ich weiterfahre, treffe ich noch einen LKW-Fahrer, der Arbeiter nach Ust-Nera bringt. Er meint, er kennt mich schon von der Strecke Tynda-Jakutsk und wünscht mir viel Glück. Nach weiteren 10 Kilometern kommt ein Dorf das weniger Glück hatte, es liegt voll in den Staubwolken. Wenig später kommt mir ein Radfahrer entgegen, es ist wohl ein Feldarbeiter, der Heim fährt. Er empfiehlt mir noch 8 Kilometer weiter zur Stajanka zu fahren. Das scheint identisch mit meinem GPS-Wegpunkt "Hotel Kolyma" zu sein. Als ich am Hotel angelange, macht es einen ziemlich geschlossenen Eindruck. Dafür hat es ein sehr gutes und günstiges Cafe nebenan, wo es noch ein zweites Abendbrot gibt. Als ich wegen übernachten im Zelt frage, ist das kein Problem, ich könnte einfach hinter dem Haus übernachten. Zudem bekomme ich die Info, dass Olympia heute seinen letzten Tag habe. Am Abend ist mir leider der PET-Flaschenhalter gebrochen, das Alu verträgt nicht zu viel Biegerei. Auch das Spiel in der Nabe hat nicht abgenommen. Ich schiebe rüber in Richtung kleinem Dorf, welches 500 Meter vom Cafe steht. Es ist ein Feriendorf und nicht belegt. Nur ein Bauernhaus ist bewohnt. Während ich das Zelt aufbaue entspinnt sich ein nettes Gespräch. Die Familie beruhigt mich, dass hier keine Bären in der Gegend seien, aber dass es bald welche im Gebiet, durch das die Strasse führt,  hat. Wegen Waldbränden hier in Jakutien sind sie wohl aufgeschreckt worden und auf der Flucht und daher in letzter Zeit auch öfters an der Strasse. Sie sind hier nur im Sommer mit dem Vieh, im Winter geht es zurück ins Dorf. Das Feriendorf wird wohl demnächst bei Schulbeginn belegt, da es wohl hier so eine Art Schulfreizeit gibt. Die Familie lädt mich ein, in der Früh in den Stall zu kommen, wenn ich Milch haben will. So verbringe ich hier eine ungestörte Nacht, was mir nach so einem 100 km-Tag auch gut gelingt.
Zeltplatz bei Feriendorf
Mein Nachbar
manche dürfen sogar Freiheit geniessen

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