Montag, 20. August 2012

Ruhetag in Ust-Nera

Die Nacht hat wieder seht gut getan und ich kann lange ausschlafen. Nachdem mir Aigul am Vortag schon resolut gesagt hatte, dass ich einen Tag da bleiben muss und mir zudem meine Wäsche zum Waschen weggenommen hat, habe ich keine andere Wahl. Zudem schaut es draussen weiter nach Regen aus. Die Schulferien überbrückt Aigul mit Taxi fahren. Trotzdem hat sie Zeit mich mal kurz zur Schule mitzunehmen, wo ich dann am Schulrechner ins Internet kann. Mich interessiert vor allem das Wetter. So wie es ausschaut ist heute so ein gemischter Tag und leider auch der letzte Tag mit Rückenwind (ab jetzt soll er aus Südost kommen). Es soll weiter regnerisch sein, insbesondere der Mittwoch, also übermorgen scheint es dauerhaft Starkregen zu geben, die Sonne zeigt sich laut Wetterbericht wohl erst am Sonntag, d.h. in einer Woche wieder. Ich scheine hier voll das Wetterglück gepachtet zu haben. Bei Aigul werde ich gut aufgepäppelt und kann den Tag über gut lernen (kindle sei Dank). Auch die Mutter von Aigul ist nach Ust-Nera gezogen. Kein Wunder, nachdem Aigul hier schon 10 Jahre lebt und ihre Schwester ebenfalls als Englischlehrerin hierher gezogen ist, war sie zu Hause recht alleine. Ab und zu schaut auch Tanja bei uns vorbei, ich erfahre erst später, dass es die erste Tochter von Aigul ist. Ihr erster Mann war LKW-Fahrer, der bei einem Unfall auf der Trasse ums Leben gekommen ist. Seine Eltern wohnen einen Stock tiefer und kümmern sich um Tanja. Tanjas Opa ist immer noch LKW-Fahrer und gibt mir am Abend noch Streckentipps, insbesondere für die Tenkinskaya-Trasse. Sie meinten, dass die gerade in den Nachrichten war und der Katastrophenschutz dort unterwegs sei. Der Grund waren die starken Regenfälle, welche die Strasse unterbrochen hätten. Aber ich werde da schon irgendwie durchkommen, der Katastrophenschutz sei mit Helis und Booten da. Andrej arbeitet in Ust-Nera im Strassendienst und als Mechaniker, der Fahrzeuge wieder herrichtet, er flucht ziemlich über die Qualität russischer Fabrikate. Das gehört hier wohl zum guten Ton. Die Familie schlägt sich also hier durch und muss noch den Kredit auf die Wohnung abbezahlen. Das Fernziel ist allerdings eine Wohnung in Blagoweshensk.
Aigul scheint häufiger Reisende aufzunehmen, vor allem um das Englisch zu praktizieren, welches sie sehr gut beherrscht. Vor ein paar Wochen war wohl ein autostoppender Italiener da, über den ich ein wenig den Kopf schüttle. Er versucht wohl ohne Geld um die Welt zu kommen, dafür musste Aigul in die Tasche langen und wohl Fahrt und Übernachtung in Tomtor finanzieren. Dabei verdienen sie wirklich nicht viel und leben in einer recht teuren Gegend. Mir verschlägt es fast die Sprache, als ich erfahre, wie teuer ein Flug oder die Taxifahrt nach Jakutsk sind. Da wird eine Monopolsituation wohl ausgenutzt, mein Flug von Magadan nach Moskau war nicht teurer. Um nicht ganz ohne Gegenleistung zu bleiben, hinterlasse ich bei Aigul noch einen Sparschäler und Andrej bekommt ein schweizer Messer, letztere haben wir immer gerne auf Tour dabei um ein besonderes Geschenk machen zu können. Aigul zeigt mir noch eine Karte, welche der erste Radreisende, der bei ihr übernachtet hatte, ein Alistair, hinterlassen hatte. Da ich nur eine grobe Atlaskarte dabei habe, mache ich noch ein Photo und kann öfter Mal auf diesem Photo nachschauen, wo ich genau bin und wie weit es zur nächsten möglichen Siedlung ist.
Am Abend packe ich dann noch alles um am nächsten Tag früh los zu kommen. Aigul sorgt schon für die nächste Übernachtung und frägt in Artyk an. Dort wird sie an das Krankenhaus verwiesen, ich solle mich dort melden und würde dann eine Unterkunft finden. Eigentlich widerstrebt mir die Inanspruchnahme von so viel Gastfreundschaft, andererseits wäre es auch wieder nicht nett, diese abzulehnen. Ich bin wirklich erstaunt, wie gut umsorgt ich bisher hier durchgekommen bin. Da wo fast keine Infrastruktur ist, kümmern sich die Leute am Besten um einen.
ganz schön heruntergekommen
hat auch schon bessere Zeiten erlebt?
Aigul am Plov zubereiten
ganz brauchbare Karte für die Strecke bis Magadan
Eigentlich ganz nett gelegen im Sommer

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