Dienstag, 4. September 2012

Nachspann

Ich hatte Glück mitten in der Nacht ins Medcollege zu kommen, anscheinend nehmen sie normaler Weise keine Ausländer. Aber am nächsten Tag komme ich mit der Chefin doch noch ins Gespräch und sie billigt mir insgesamt drei Nächte zu. Ich habe jetzt hier noch gut eine Woche, bis mein gebuchter Flug nach Moskau geht. Ich hätte aber wohl auch erst jetzt buchen können, die Flüge mit Transaero sind nicht viel teurer geworden. Was ich nach drei Nächten machen würde, war mir noch nicht klar, eventuell bei der Kirche nachfragen. Aber ein Zimmernachbar gab mir noch den Tipp für andere Billighotels in Magadan.
Den ersten Tag in Magadan wollte ich eigentlich nur ausspannen, doch machte ich mich dann halbwegs früh auf, um Dina per Internet Bescheid zu geben, dass ich da bin. Das Problem war, dass es in Magadan kein öffentliches Internet für mich gab, ausser an einigen Orten WLAN. Zuerst fragte ich bei der Telekom, zu der das Internet nach Einstellung des Dienstes bei der Post gezogen war. In Tynda war es ja auch bei der Telekom. Aber die meinten, Internet haben wir nicht mehr, das hat mittlerweile jeder im Haus, eventuell ist es doch wieder in der Post. Die Post hatte dann in der Tat 2 alte Terminals, aber diese funktionierten gerade nicht und der Mitarbeiter machte mir wenig Hoffnung, dass sie innerhalb der nächsten Woche noch funktionieren würden. Als ich an einer Strassenecke Passanten frage, werde ich jedoch fündig. Zufällig erwische ich zwei Leute von einem Fernsehkanal (dass mein Interview, nach der Flucht von Vlad, nicht stattfinden würde betrübte wohl eher den Fernsehmann, als mich), die mir als Gegenleistung für ein kurzes Interview eine Stunde an einem Arbeitsplatz im Studio versprachen. Also drehten wir noch kurz ein Interview, in dem ich in meinem einfachen Russisch die Gastfreundschaft lobte und die geniale Natur hier anpries. Danach liess mich eine Kollegin noch schnell Mails schreiben.
Bei anderen Passanten wurde ich dann doch noch fündig, die Bibiliothek in Magadan habe Internet. Und in der Tat steht ein riesiger Raum  mit PCs dort rum und wird nur sporadisch benutzt. Das Internet ist auch nicht extrem teuer. So komme ich hier täglich vorbei. Der Wetterbericht verspricht nur noch heute schönes Wetter, daher mache ich mich am Nachmittag doch noch auf eine kleine Erkundungsrunde auf, vor allem die zwei Buchten von Magadan sind schön gelegen. So gelingen mir noch ein paar Landschaftsschnappschüsse.
Die Zeit in Magadan bin ich nur selten in einem Café, eigentlich erst am vorletzten Tag, ich muss ja noch die ganzen Vorräte aufessen, welche ich unterwegs nicht gebraucht habe und bin so eifriger Benutzer der Küche des Medcollege.
Auch das Problem mit den drei Nächten im Medcollege kann ich lösen, es geht natürlich um die Registrierungspflicht, so etwas scheuen manche Hotels, wie der Teufel das Weihwasser. Aber nach ein paar Anrufen beim OVIR ist die Chefin des Medcolleges etwas gütiger gestimmt, bis sie dann doch wieder umschwenkt. Also marschiere ich selbst zum OVIR und bitte die Dame dort noch einmal beim Hotel anzurufen und klipp und klar zu sagen, dass das Hotel die ersten 7 Tage nichts machen muss. Die Dame vom OVIR überzeuge ich zwar noch, dass in diese 7 Tage nur Arbeitstage fallen und das Wochenende nicht gilt. Aber das ist der Hotelchefin des Guten zu viel und ich muss daher die Nacht vor dem Abflug woanders verbringen.
Erst zwei Tage vor Abreise sehe ich in der Stadt noch andere Touristen, vor der üblichen Touriabsteige stehen gut ein Duzend Motorräder. Es ist also noch einmal eine organisierte "Expedition" angekommen. Diesmal vor allem Australier, welche eine weichgespülte Variante ohne BAM und OSR gewählt haben. Trotzdem hatten sie ihre Verluste. Nach einem Sturz in der Mongolei ist wohl doch etwas gebrochen gewesen am Rücken, weshalb sie einen Teilnehmer in Aldan zurückgelassen haben. Die Teilnehmer haben wohl auch einige Subgruppen gebildet, in so einer grossen Gruppe sind Reibereien unvermeidlich, zumal es alles ältere Herrschaften sind. Als ich gerade vor dem Hotel stehe, lerne ich auch noch die von Adrian und den Engländern erwähnte Olga kennen. Sie organisiert hier in Magadan für Westler Unterkünfte und Touren. Als sie mir auch noch ein Appartment andrehen will, ist sie erstaunt, wie günstig ich in Magadan untergekommen bin. Kurz vor Abflug lege ich ihr noch meine Fackel und das Pfefferspray vor die Türe, in der Hoffnung, dass ein anderer Tourist sie mal brauchen kann.
Ansonsten bin ich relativ faul in Magadan und meist mit Lesen beschäftigt. Mal ein Ausflug zur Maske der Sorgen oder zur nahen Bucht sind die grössten Aktionen, die ich noch unternehme. Viel Zeit kostet mich noch meine festgesetzte Sattelstütze, die sich keinen mm bewegen lässt. Ich musste 3 h bei verschiedenen Autowerkstätten zugebringen. In der ersten haben wir die Stütze mit WD40 und anderen Fluessigkeiten behandelt und dann mit der Rohrzange angesetzt. Mit sehr viel Kraft hat man die Stütze nun drehen können. Nachher habe ich versucht diese Drehbarkeit mit einem 55er Schlüssel (der ging pfleglicher mit der Stütze um) zu erweitern. Leider hat sich die Stütze weder nach oben noch nach unten bewegen lassen.
In der nächsten Werkstatt haben wir die Stütze dann eingespannt und das Rad als Hebel benutzt. 2 Mann haben gedreht, einer gezogen, so haben wir immerhin 3 cm rausholen können, danach war kein sichtbarer Erfolg zu sehen. Nach einer Kreativpause kam die nächste Stufe, der Hummer des Besitzers wurde vorgefahren und die Sattelstütze daran befestigt. Das Rad wurde um das Tretlager herum befestigt und an eine Seilwinde (zum Heben von Lasten) gehängt. Mit 2 t Belastbarkeit schon mal besser als 3 Mann Handkraft. Der Hummer war also das Gegengewicht, während an der Kette der Winde gezogen wurde, der Stahlträger an dem die Winde befestigt ist war natürlich eher für Belastung nach unten als auf Torsionsbelastung ausgelegt und hat sich deutlich bewegt. Immerhin sprangen nochmal 2 cm bei der Sattelstuetze raus. So belastet wurde dann der Hammer angesetzt, nach ein paar Schlägen flog dann das Rad durch die Garage und die Sattelstütze war draussen.
Davor hatte ich noch das Radgeschäft, welches praktischer Weise direkt vor dem Medcollege lag, genutzt. Die White Industries Naben wollte ich noch einmal revidieren. Es war allerdings ein komisches Radgeschäft, erst im Sommer gegründet, aber noch ziemlich leer, nur ein oder zwei Räder zum Verkauf, dafür eine gut sortierte Werkstatt. Die Inhaber, ein paar junge Burschen sassen auch lieber im Verkaufsraum und schauten Filme und waren gar nicht neugierig auf so Meisterwerke der Drehbank, wie sie die White Industries Naben sind. Immerhin das NBT hat sie noch interessiert, mein Reisewerkzeug zum Abziehen des Zahnkranzes.
Unbrauchbare Ausrüstung wurde vor dem Flug noch aussortiert, z.B. der Regenschirm oder die abgenudelte Kette, mit der neuen war trotzdem nicht mehr gut zu fahren, da das Kettenblatt wohl schon zu sehr abgenutzt war. Ausserdem war es mit dem Rad mühsam ohne Sattel und Sattelstütze zu fahren.
Am Tag vor der Abreise fuhr ich mit dem Bus zum Flughafen, entgegen der Information, die ich hatte, sagten mir die Polizisten am Flughafen, dass ich ruhig die Nacht über bleiben könne, wieder ein Hotel gesparrt.
Der Check-In am Folgetag war problemlos, ich musste erwartungsgemäss 10 kg Übergepäck bezahlen. In Domodedovo angekommen war noch der Flughafenwechesel zu bewältigen, mit Rad als Gepäck. Da die billige Bahn erst gerade abgefahren war, nahm ich doch den Airportexpress, die nächste Regionalbahn wäre erst drei Stunden später gefahren. Vom Endbahnhof des Domodedovo-Express zum Endbahnhof das Sheremetevo-Express ist es ein gutes Stück zu laufen. Das mache ich gerne, um noch am Roten Platz vorbeizukommen. Auf der Moskva ist einiges an Schiffsverkehr los. Leider ist der Rote Platz wegen Vorbereitungen für eine Militärparade gesperrt. Ein bisschen enttäuscht frage ich einen Polizisten nach dem Weg zu meinem Bahnhof. Der schickt mich geradeweg zur Metro. Eigentlich dachte ich, mit Rad darf man da nicht rein, aber der Polizist meint, das passt schon. Also wird noch schnell eine Fahrkarte gekauft und der Wachmann an der Rolltreppe ignoriert, der Anstalten wegen des Rades macht. Unten angekommen kommen mir auch schon zwei BMXler aus der Metro entgegen. Am Bahnhof angekommen kaufe ich noch schnell ein paar Dönerfladen ein, ich hatte in der Stadt sonst nichts auf den ersten Blick gefunden. Im Zug zum Flughafen Sheremetevo werde ich von einer Kontrolleurin noch angepflaumt, dass ich für das Rad auch ein Ticket hätte lösen sollen. Komischer Weise hat der Kontrolleur im gleichen Zug von Domodedovo her, nichts gesagt. Die Nacht verbringe ich am Flughafen und komme mit Aeroflot fast problemlos nach Zürich zurück. Nur das Rad sorgt noch einmal für eine Extra-Einlage. Obwohl meine Check-In-Dame mich problemlos abfertigt kommt noch eine Oberaufseherin vorbei und will, dass das Vorderrad abmontiert ist und das Rad noch in Plastikfolie verpackt wird. Recht widerwillig erledige ich das noch. Dennoch ist Aeroflot praktisch, das Rad gilt einfach als zweites Gepäckstück und kostet nur 50 € mehr.
Zu Hause angekommen habe ich jetzt erst einmal keine weiteren Pläne für nächsten Sommer in Sibirien, aber wer weiss, vielleicht kommen die, wie dieses Jahr im März wieder.
Das Medcollege, meine Herberge in Magadan
Noch ein Interview geben, hier kommen wohl selbst Kleinigkeiten ins TV
Eifelturm von Magadan
Noch einmal das Medcollege
Auf dem Weg zur Gertner-Bucht
Heute noch einmal ein Traumtag
Ich nehme einen kleinen Seitentrack an Ruinen vorbei
um zu einer besseren Aussicht zu kommen
Keine Ahnung von was die Ruinen sind, wäre aber netter Zeltplatz
Gertnerbucht
tolle Fernsicht
In der Karte steht: Die drei Brüder
Danach ging es noch zur Maske der Sorgen
Noch ein schöner Spätsommertag

Das Heizkraftwerk war gerade in den News, da noch in Revision für den Winter
Blick auf Magadan mit Nagaeva-Bucht

schöne Häuser, kennt man gar nicht aus Neusowjetischen Städten
In der Nähe des Hotels
Der neue Radladen gegenüber von der Herberge
Australische Motorräder vor dem Hotel in Magadan
Sie waren auch über Tynda und Jakutsk hierhergekommen und fliegen nun Heim
zweiter Versuch die Sattelstütze herauszubekommen
Der ultimative Versuch die Sattelstütze zu lösen
gleich saust das Rad durch die Garage
Abschied von Magadan
noch ein nachmittäglicher Spaziergang an der Nagaeva
Nicht mehr sehr seetüchtig
Lieblingsbeschäftigung Angeln
Alte Anlegestelle?
Ein Bilderbuchtag und langsam auch ein Bilderbuchurlaub geht zu Ende
Nicht oft wird ein Fisch herausgezogen
Ciao Magadan
Flughafen Magadan Sokol
Ich erkenne noch Teile meiner Strecke
Zuckerbäckerstil in Moskau
Ich wechsle noch von Domodedovo zu Sheremetevo
Am Kreml
Leider ist der Rote Platz wegen Paradevorbereitungen gesperrt
Also nur ein Blick von Aussen